Montag, 19. Januar 2009

Daniel Cohn-Bendit (Grüne) hält rot/rot/grüne Koalition im Bund für möglich, wenn Lafontaine als Parteichef der Linken zurücktritt

Aus der FR vom 19.01.2009:

Daniel Cohn-Bendit
"Das macht wütend"

Frankfurter Rundschau:Herr Cohn-Bendit, vor einem halben Jahr haben Sie Andrea Ypsilanti zu einer rot-grünen Minderheitsregierung ermuntert. Das Ergebnis ist ein Ministerpräsident Roland Koch. Wie geht’s einem Grünen damit?

Daniel Cohn-Bendit: Das ist natürlich eine Niederlage. Es gab in Hessen nach der Wahl im letzten Jahr den Wunsch nach Veränderung. Nur die SPD hat den Karren so in den Sand gesetzt, dass wir nun dieses Ergebnis haben. Das macht wütend und deprimiert.

Müssten die Hessen-Grünen sich nicht trotz allem der CDU als alternativer Regierungspartner zur FDP anbieten?

Die Frage stellt sich doch gar nicht! Es gibt ne schwarz-gelbe Mehrheit. Basta. Koch und Hahn träumen doch seit Jahren von dieser Koalition. Schwarz-Grün oder Jamaika mit Koch - das geht einfach nicht und das weiß jeder. Jetzt haben viele die Freien Demokraten als Korrektiv zu Koch gewählt, doch damit könnten sie sich gewaltig irren, denn die FDP war in ihrer Geschichte immer ein getreuer Vasall der Koch-CDU.

Hessen könnte ja nur Vorgeschmack sein auf die Bundestagswahl. Ist mit dieser schwachen SPD für die Grünen noch Staat zu machen?

Die SPD muss sich überlegen, ob es klug ist, dass sie sich im Bund weiter so verhält, als ob sie fest im Sattel einer großen Koalition sitzt. Sie denkt die Union immer mit. Solange die SPD aber nicht daran arbeitet, eine gesellschaftliche Alternative mitzuformulieren zur großen Koalition oder zu schwarz-gelb, ist es in der Tat schwer, mit ihr Staat zu machen.

Was lehrt das die Grünen?

Die Grünen müssen in den nächsten Monaten im Europa- und im Bundestagswahlkampf aufzeigen, welche politischen und gesellschaftlichen Reformen nötig sind, um auf die vielen Krisen, mit denen wir konfrontiert sind, eine historisch adäquate Antwort zu geben. Bisher tun sie das einfach nicht radikal genug. Wir brauchen eine Konversion unserer gesamten Wirtschafts- und Lebensweise. Da reicht es nicht aus, wenn die Grünen sagen: Wir wollen ein Konjunkturpaket, es muss aber bitte schön etwas grüner eingepackt sein. Nein,wir brauchen ein Programm, das die Wirtschaft nicht nur stabilisiert, sondern sie transformiert. Wir müssen weg von dem Ansatz immer mehr konsumieren, immer schneller ausgeben.
Was nützt es den Grünen für die Bundestagswahl, wenn sie wie jetzt in Hessen Stimmen von der SPD zurückholen, aber damit einen zu schwachen Partner fürs Regieren haben. Wir müssen an einer gesellschaftlichen Mehrheit arbeiten jenseits von Schwarz–Gelb. Wir müssen die SPD dazu bringen, sich vom groß-koalitionären Denken zu lösen. Es gibt die Pole schwarz gelb oder rot-grün. Und dann muss man die Kräfte , die es rechts und links von Rot-Grün gibt, überzeugen sich diesem gesellschaftlichen Konsens anzuschließen.

Rot-rot-grün im Bund mit der Linken?

Das ginge nur, wenn Oskar Lafontaine auf Rente geht. Tut er aber nicht.

Also eine rot-grüne Ampel-Koalition mit der FDP?

Guido Westerwelle weiß, dass er nach der Bundestagswahl regieren muss, mit wem auch immer. Wenn es für schwarz-gelb nicht reicht, wird er Richtung Ampel steuern. Eine Ampel wäre die unsicherste aber auch spannendste Lösung. Für die Grünen wäre das ein gangbares Experiment, aber nur wenn sie stärker sind als die FDP.

Bliebe ein Bündnis mit den Schwarzen?

Wenn die CDU erklärt: wir sind bereit, den Weg des Atomausstiegs zu gehen und beim Klimaschutz radikalere Schritte mit zu machen, wird das natürlich diskutabel sein. Aber es gibt Dinge, die schlicht nicht zur Verhandlung stehen.

Interview: Vera Gaserow

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