Montag, 19. Januar 2009

off-topic: Die Palästinenser von der Hamas befreien (derzeit Waffenruhe)

Tachles v. 16.01.2009

BERNHARD-HENRI LÉVY Der Philosoph bezieht dezidiert Stellung
In seinem Essay äusserst sich der französische Intellektuelle Bernard-Henri Lévy pointiert zum israelischen Feldzug in Gaza.

Da ich kein Militärexperte bin, werde ich davon absehen, der Frage auf den Grund zu gehen ob, die israelischen Bomben auf Gaza zielsicherer, vielleicht auch weniger intensiv hätten abgeworfen werden können.

Während Jahrzehnten war ich nicht in der Lage, zu bestimmen, welche Tat gut und welche schlecht ist, ich konnte – um mit Camus zu sprechen – nicht zwischen den «verdächtigten Opfern» und den «privilegierten Scharfrichtern» unterscheiden. Dessen ungeachtet beunruhigen mich die Bilder von den getöteten palästinensischen Kindern aufs Äusserste.
Nachdem wir dies festgehalten haben, und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass gewisse Medien einmal mehr von den Wogen des Wahnsinns fortgetragen werden, wie dies stets geschieht, wenn Israel in die Sache verwickelt ist, möchte ich an gewisse Fakten erinnern:

1. Keine Regierung der Welt, kein anderes Land als das diffamierte, durch den Dreck gezogene und dämonisierte Israel, hätte es toleriert, dass Jahr um Jahr Tausende von Raketen auf seine Städte fallen. Das Bemerkenswerteste an der ganzen Sache, die wirkliche Überraschung ist nicht Israels «Brutalität», sondern im wahrsten Sinne des Wortes seine Zurückhaltung.

2. Die Tatsache, dass die Kassem- und Grad-Raketen der Hamas so wenige Todesopfer gefordert haben, beweist nicht, dass sie amateurhafte oder nicht offensive Waffen sind, sondern viel eher, dass die Israeli sich schützen, dass sie versteckt in den Kellern und Luftschutzbunkern ihrer Häuser leben: eine angespannte Albtraum-Existenz, den Klang von Sirenen und Explosionen in Ohr. Ich war in Sderot; ich weiss es.

3. Die Tatsache, dass umgekehrt israelische Granaten so viele Opfer fordern, bedeutet nicht, wie es in Protesten zornig behauptet wird, dass Israel in ein «vorsätzliches» Massaker verwickelt ist. Vielmehr haben die Führer in Gaza die gegenteilige Haltung als die Israeli gewählt und setzen ihre Bevölkerung in altbekannter Manier als «menschliche Schutzschilde» ein. Das heisst, die Hamas installiert, wie vor zwei Jahren schon die Hizbollah, ihre Kommandozentralen, Waffenlager und Bunker in den Kellergewölben von Häusern, Spitälern, Schulen und Moscheen. Abscheulich, aber wirksam.

4. Es besteht ein grundlegender Unterschied zwischen den kämpfenden Parteien, den alle eingestehen müssen, die eine «korrekte» Vorstellung der Tragödie erhalten wollen – und von den Mitteln, um diese zu beenden: Die Palästinenser eröffnen das Feuer auf Städte oder in anderen Worten auf Zivilisten (was laut internationalem Gesetz ein «Kriegsverbrechen» ist); die Israeli nehmen militärische Objekte ins Visier und verursachen, ohne dies zu beabsichtigen, schreckliche Verluste unter Zivilisten (was in der Kriegssprache «Kollateralschäden» genannt wird, und was, so grässlich es auch sein mag, auf eine echte strategische und moralische Assymetrie hinweist).

5. Weil wir das Tüpfelchen aufs i zu setzen haben, werden wir einmal mehr an
eine Tatsache erinnern, über welche die französische Presse überraschenderweise selten berichtet, obwohl mir keine anderen Präzedenzfälle aus anderen Kriegen oder von irgendeiner anderen Armee bekannt sind: Während der Luftoffensive kontaktierte die israelische Armee regelmässig Einwohner des Gazastreifens, die in der Nähe von militärischen Objekten leben, und forderte sie zur freiwilligen Evakuierung auf. Nach Angaben eines israelischen Ministers wurden zu diesem Zweck 100 000 Telefonanrufe getätigt. Klar ist, dass dies nichts an der Verzweiflung von Familien ändert, deren Leben in dieser Hölle auseinandergebrochen ist. Dennoch ist dieses Detail nicht ganz bedeutungslos.

6. Schliesslich zur berühmten totalen Blockade, die angeblich über hungrige Menschen verhängt wurde, denen es an allem fehlt in dieser «präzedenzlosen» humanitären Krise: Auch das ist faktisch nicht korrekt. Seit Beginn der Bodenoffensive passieren pausenlos humanitäre Konvois den Übergang Kerem Shalom. Laut «New York Times» sind am 31. Dezember – an einem einzigen Tag – fast 100 Lastwagen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten in den Streifen gefahren. Und ich erwähne, nur um die Erinnerung an die Tatsache zu bewahren (denn das ist selbstverständlich, doch wäre es vielleicht besser, es effektiv immer wieder zu sagen …), dass israelische Krankenhäuser, sogar jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, fortfahren, täglich verwundete Palästinenser aufzunehmen und zu pflegen.

Hoffen wir, dass die Kampfhandlungen rasch ein Ende nehmen. Und hoffen wir auch, dass die Kommentatoren sehr rasch wieder zu sich finden werden. Dann werden sie entdecken, dass Israel über viele Jahre hinweg viele Fehler begangen hat (verpasste Gelegenheiten, eine lange dauernde Verleugnung der nationalen Forderungen der Palästinenser, Einseitigkeit), dass aber die schlimmsten Feinde der Palästinenser ihre extremistischen Führer sind, die nie Frieden schliessen wollten, die nie einen Staat haben wollten, und die in ihrem Volk nie etwas anderes als ein Instrument und eine Geisel gesehen haben. Man denke an das dunkle Bild von Khaled Meshal, dem obersten Führer der Hamas, der am Sonntag, den 27. Dezember, als das Ausmass der so sehr herbeigesehnten israelischen Antwort sich abzuzeichnen begann, nicht anderes zu tun wusste als die Rückkehr zu Selbstmordmissionen zu deklarieren – und dies aus seinem komfortabeln Exil in Damaskus …

Entweder kehren die Hamas-Führer zu dem von ihnen gebrochenen Waffenstillstand zurück und erklären dann ihre Charta, die einzig auf der Ablehnung der «zionistischen Einheit» basiert, für null und nichtig. Auf diese Weise würden sie zur grossen Kompromiss-Party stossen, die Gott sei Dank nie aufgehört hat, Fortschritte in der Region zu machen, und der Frieden wird Tatsache werden. Die andere Alternative: Sie werden unverbesserlich die Leiden palästinensischer Zivilisten als Instrument betrachten, mit dem
ihre glühenden Leidenschaften, ihr wahnsinniger, über alle Worte hinaus nihilistischer Hass angefacht wird. Und wenn es so weit kommt, werden nicht nur die Israeli, sondern auch die Palästinenser vom dunkeln Schatten der Hamas befreit werden müssen.


Bernard-Henri Lévy ist Philosoph, Publizist, Aktivist und einer der namhaftesten Intellektuellen Frankreichs. Er berät die französische Regierung in diplomatischen Angelegenheiten.
Der Artikel ist am 9. Januar in «The New Republic» erschienen. Bernard-Henri Lévys neues Buch «Left in Dark Times: A Stand Against the New Barbarism» ist im letzten September im Verlag Random House erschienen.

Daniel Cohn-Bendit (Grüne) hält rot/rot/grüne Koalition im Bund für möglich, wenn Lafontaine als Parteichef der Linken zurücktritt

Aus der FR vom 19.01.2009:

Daniel Cohn-Bendit
"Das macht wütend"

Frankfurter Rundschau:Herr Cohn-Bendit, vor einem halben Jahr haben Sie Andrea Ypsilanti zu einer rot-grünen Minderheitsregierung ermuntert. Das Ergebnis ist ein Ministerpräsident Roland Koch. Wie geht’s einem Grünen damit?

Daniel Cohn-Bendit: Das ist natürlich eine Niederlage. Es gab in Hessen nach der Wahl im letzten Jahr den Wunsch nach Veränderung. Nur die SPD hat den Karren so in den Sand gesetzt, dass wir nun dieses Ergebnis haben. Das macht wütend und deprimiert.

Müssten die Hessen-Grünen sich nicht trotz allem der CDU als alternativer Regierungspartner zur FDP anbieten?

Die Frage stellt sich doch gar nicht! Es gibt ne schwarz-gelbe Mehrheit. Basta. Koch und Hahn träumen doch seit Jahren von dieser Koalition. Schwarz-Grün oder Jamaika mit Koch - das geht einfach nicht und das weiß jeder. Jetzt haben viele die Freien Demokraten als Korrektiv zu Koch gewählt, doch damit könnten sie sich gewaltig irren, denn die FDP war in ihrer Geschichte immer ein getreuer Vasall der Koch-CDU.

Hessen könnte ja nur Vorgeschmack sein auf die Bundestagswahl. Ist mit dieser schwachen SPD für die Grünen noch Staat zu machen?

Die SPD muss sich überlegen, ob es klug ist, dass sie sich im Bund weiter so verhält, als ob sie fest im Sattel einer großen Koalition sitzt. Sie denkt die Union immer mit. Solange die SPD aber nicht daran arbeitet, eine gesellschaftliche Alternative mitzuformulieren zur großen Koalition oder zu schwarz-gelb, ist es in der Tat schwer, mit ihr Staat zu machen.

Was lehrt das die Grünen?

Die Grünen müssen in den nächsten Monaten im Europa- und im Bundestagswahlkampf aufzeigen, welche politischen und gesellschaftlichen Reformen nötig sind, um auf die vielen Krisen, mit denen wir konfrontiert sind, eine historisch adäquate Antwort zu geben. Bisher tun sie das einfach nicht radikal genug. Wir brauchen eine Konversion unserer gesamten Wirtschafts- und Lebensweise. Da reicht es nicht aus, wenn die Grünen sagen: Wir wollen ein Konjunkturpaket, es muss aber bitte schön etwas grüner eingepackt sein. Nein,wir brauchen ein Programm, das die Wirtschaft nicht nur stabilisiert, sondern sie transformiert. Wir müssen weg von dem Ansatz immer mehr konsumieren, immer schneller ausgeben.
Was nützt es den Grünen für die Bundestagswahl, wenn sie wie jetzt in Hessen Stimmen von der SPD zurückholen, aber damit einen zu schwachen Partner fürs Regieren haben. Wir müssen an einer gesellschaftlichen Mehrheit arbeiten jenseits von Schwarz–Gelb. Wir müssen die SPD dazu bringen, sich vom groß-koalitionären Denken zu lösen. Es gibt die Pole schwarz gelb oder rot-grün. Und dann muss man die Kräfte , die es rechts und links von Rot-Grün gibt, überzeugen sich diesem gesellschaftlichen Konsens anzuschließen.

Rot-rot-grün im Bund mit der Linken?

Das ginge nur, wenn Oskar Lafontaine auf Rente geht. Tut er aber nicht.

Also eine rot-grüne Ampel-Koalition mit der FDP?

Guido Westerwelle weiß, dass er nach der Bundestagswahl regieren muss, mit wem auch immer. Wenn es für schwarz-gelb nicht reicht, wird er Richtung Ampel steuern. Eine Ampel wäre die unsicherste aber auch spannendste Lösung. Für die Grünen wäre das ein gangbares Experiment, aber nur wenn sie stärker sind als die FDP.

Bliebe ein Bündnis mit den Schwarzen?

Wenn die CDU erklärt: wir sind bereit, den Weg des Atomausstiegs zu gehen und beim Klimaschutz radikalere Schritte mit zu machen, wird das natürlich diskutabel sein. Aber es gibt Dinge, die schlicht nicht zur Verhandlung stehen.

Interview: Vera Gaserow

Vorläufiges amtliches Enderergebnis der Landtagswahl in Hessen

Samstag, 17. Januar 2009

SPD: Dagmar Metzger muss vor Schiedskommission

FR vom 17.01.09

München. Die Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger muss sich einem Medienbericht zufolge am 28. Januar vor einer Schiedskommission ihres Darmstädter SPD-Unterbezirks gegen den Vorwurf parteischädigenden Verhaltens verteidigen. Das Nachrichtenmagazin "Focus" berichtete vorab, der SPD-Ortsverein Wiesbaden-Bierstadt fordere ihren Parteiausschluss.

Metzger und drei weitere SPD-Abgeordnete hatten sich im vergangenen Jahr geweigert, SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti mit Unterstützung der Linkspartei zur Ministerpräsidentin zu wählen.

Metzger sagte dem Blatt: "Ich werde keine Strafe akzeptieren, selbst wenn es nur eine Rüge wäre. Notfalls gehe ich bis zum Bundesverfassungsgericht." Sie werde für das grundgesetzlich geschützte freie Mandat kämpfen. Ypsilantis Versuch sei Verrat an den SPD-Wählern gewesen. "Das konnte ich mit gutem Gewissen nicht mittragen", sagte Metzger.

Ypsilanti hatte vor der Wahl versprochen, nicht mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten. Mit Blick auf den geplanten Parteiausschluss sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla am Samstag in Berlin, der Verfall der SPD habe einen neuen Tiefpunkt erreicht. Metzger habe sich gegen "das schamlose Machtstreben" von Ypsilanti gestellt. "Sie hat sich für ihr Gewissen entschieden - und soll nun dafür bestraft werden", kritisierte Pofalla. Es sei erschreckend, wie weit es mit dem Demokratieverständnis der SPD gekommen sei. (ddp)

Donnerstag, 1. Januar 2009

Verdi für Ausbau des Frankfurter Flughafens:

TAZ 01.01.09

"Der Flughafenausbau muss sein"

Verdi-Vertreter Schaub kritisiert, SPD und Grüne wollten die Erweiterung des Frankfurter Flughafens bremsen. Mögliche neue Arbeitsplätze hätten Vorrang vor Naturschutz. GEROLD SCHAUB, 56, ist Fachbereichsleiter bei der Gewerkschaft Ver.di in Hessen. Er sitzt im Aufsichtsrat der Flughafen-AG Fraport.

taz: Herr Schaub, worüber wird beim Flughafenausbau in Frankfurt immer noch gestritten?

Gerold Schaub: Über das Nachtflugverbot. CDU, FDP und SPD sind prinzipiell für einen Flughafenausbau in Frankfurt. SPD und Grüne wollten keinen Flugverkehr zwischen 23 und 5 Uhr - das stand im Koalitionsvertrag. Sie wollten ein separates Genehmigungsverfahren für den Ausbau und die Nachtflüge. Sie fordern nun immer noch vom Flughafenbetreiber Fraport, dass vor einer endgültigen Entscheidung keine Rodungsarbeiten beginnen und Fakten geschaffen werden.

Ist das nicht sinnvoll?

Nein, denn man riskiert, dass das ganze Verfahren des Flughafenausbaus wieder aufgerollt wird und sich verzögert, mit unheimlich vielen Gutachten und allen Problematiken, die mit so einem Verfahren verbunden sind. Seit zehn Jahren läuft ja schon ein Mediationsverfahren über den Ausbau, an dem Anwohner und Parteien beteiligt waren. Wir als Gewerkschaft Ver.di am Flughafen wollen das derzeitige Verfahren weiter laufen lassen.

Mit der Unterstützung des Ausbaus stellt sich die Gewerkschaft gleichzeitig gegen die Linken. Ist das nicht eine Zwickmühle?

Wir haben uns klar positioniert, dass der Ausbau sein muss.

Sie geben dem Arbeitsplatzversprechen Priorität?

Ja, das ist ein ganz wichtiges Argument. Im ganzen Gebiet um Frankfurt sieht man ja einen Rückgang an gewerblichen Arbeitsplätzen, was im Dienstleistungssektor nicht aufgefangen werden kann. Für die Landesregierung ist der Flughafenausbau deswegen ein zentrales Projekt. In Frankfurt steigt ja von den 50 Millionen Passagieren die Hälfte zum Beispiel nach Amerika oder Asien um. Deshalb ist die Frage, wie schnell das Umsteigen bewältigt werden kann, für Frankfurt ganz wichtig - sonst kann das auch Paris oder London erfüllen, wenn es in Frankfurt nicht klappt.

Wie viele Arbeitsplätze wird der Ausbau denn wirklich bringen?

Die Arbeitsplätze, die geschaffen werden können, reichen an 100.000 heran.

Alle direkt am Flughafen?

Am Flughafen werden wohl nur 30.000 bis 40.000 Stellen entstehen, der Rest im Umland etwa durch mehr Stellen in Speditionen, alles was in der Reisebranche tätig ist, in Hotels und Gaststätten, und für Gewerbetreibende, die am Flughafen arbeiten wie Reinigungsfirmen oder Catering-Firmen. Das hängt dann von der Passagier- und Flugbewegung ab.

Dabei hat der Flughafenbetreiber, die Fraport AG, bei der Sie im Aufsichtsrat sitzen, gerade angekündigt, Löhne zu kürzen und den Bodenverkehrsdienst auszulagern. Funktioniert das Arbeitsplatzargument für den Ausbau da überhaupt noch?

Das Argument bleibt bestehen. Das Schlimme ist ja nur, dass man wieder über die Höhe der Löhne streitet. Wir von Ver.di werden nicht hinnehmen, dass sich der Frankfurter Flughafen zu einem Billiglohnstandort entwickelt.

Wird es 2009 Streiks geben?

Im Frühjahr rechne ich mit Arbeitskampfmaßnahmen wegen der Absichten des Fraport-Vorstandes.

Ist das nicht der Zeitpunkt, zu dem Sie eine Entscheidung für den Ausbau erwarten?

Ja, alle rechnen mit der Entscheidung vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof Ende Januar.

Dagmar Metzger auf FTD: "brutale Genossen"

FTD - 01.01.09

Metzger kritisiert "brutale" Genossen

Die frühere hessische SPD-Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger geht mit ihrer Partei hart ins Gericht. Im "Stern" kritisiert die als "Parteirebellin" bekannt gewordene Politikerin Druck, der von den Genossen ausgegangen sei. Der Parteirat habe einem Tribunal geglichen.

In einem Interview mit dem "Stern" nannte Dagmar Metzger es "erschreckend", welcher Druck in den vergangenen Monaten auf sie ausgeübt worden sei. Metzger hatte bereits im Frühjahr mit ihrer Weigerung, die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin zu wählen, eine Minderheitsregierung unter Tolerierung der Linken in Hessen verhindert. Im SPD-Parteirat sei es daraufhin zu einem regelrechten "Tribunal" gekommen, dies habe bei anderen Genossen, die ebenfalls nicht mit den Linken kooperieren wollten, "erheblichen Respekt erzeugt - wenn nicht gar Angst". Dem "Stern" sagte Dagmar Metzger: "Diese Brutalität hätte ich von meiner Partei nicht erwartet."

"Heute haben wir gar keinen Kontakt mehr"

Bereits kurz nach ihrem "Nein" zur Zusammenarbeit mit der Linken sei ihr Verhältnis zu Andrea Ypsilanti zerrüttet gewesen, sagte Metzger. "Heute haben wir gar keinen Kontakt mehr. Diese Herzlichkeit, diese Lockerheit, die war wie weggeblasen." Ypsilanti habe viele Fehler gemacht, aber jegliche Kritik "einfach ausgeblendet", so Metzger. "Eigentlich müsste sie Partei- und Fraktionsvorsitz abgeben."

Metzger, deren Schwiegervater Günther Metzger ein Mitbegründer des konservativen "Seeheimer Kreises" der SPD war, sprach sich allerdings nicht kategorisch gegen Bündnisse mit der Linkspartei aus. Für den grundsätzlichen Kurs der SPD gegenüber der Linken müsse aber ein Mitgliederentscheid her. "Dann kann ich mir überlegen: Ist das noch meine Partei oder eben nicht." Für den nächsten Landtag kandidiert die 50-Jährige nicht mehr.

Lieber Thorsten Schäfer - Gümbel:

E-Mail an Thorsten Schäfer - Gümbel
Tobias Kaufmann bittet bei dem SPD-Spitzenkandidaten für Hessen um Gnade.

Frankfurter SPD-Bundestagskanditatin Nissen fordert: Carmen Everts sollen die Beine abfaulen.

Hamburger Abendblatt v. 15.12.08

Entsetzen über hessische Politikerin Ulli Nissen:

Ihr sollen die Beine abfaulen

Die hessische SPD-Politikerin Ulli Nissen ist für ihre hasserfüllten Äußerungen über die Abweichler in der Landespartei in den eigenen Reihen scharf kritisiert worden. Führende Sozialdemokraten nannten das Verhalten Nissens untragbar, akzeptierten jedoch deren Entschuldigung. Die hasserfüllten Äußerungen der hessischen SPD-Politikerin Ulli Nissen über die Abweichler in der Partei sind auch innerhalb der Sozialdemokraten auf heftige Kritik gestoßen.

Die hasserfüllten Äußerungen der hessischen SPD-Politikerin Ulli Nissen über die Abweichler in der Partei sind auch innerhalb der Sozialdemokraten auf heftige Kritik gestoßen. Foto: dpa

SPD-Sprecher Gert-Uwe Mende bezeichnete am Donnerstag in Wiesbaden die Bemerkung, der SPD- Landtagsabgeordneten Carmen Everts sollten „die Beine abfaulen“, als nicht hinnehmbar. Nissen, die Bundestagskandidatin ist, habe sich jedoch umfassend entschuldigt. Nissen bezeichnete ihre Äußerung, die am 6. Dezember auf einem Parteitag des SPD-Unterbezirks Frankfurt fiel, inzwischen als „widerlich“.

Der Frankfurter SPD-Geschäftsführer Andreas Heusinger von Waldegge sprach am Donnerstag von einer „unmöglichen Äußerung“. Über etwaige Konsequenzen müsse sie selbst entscheiden, da sie bereits zur Bundestagskandidatin gewählt sei.

Nissen zeigte in einem auf ihrer Homepage im Internet veröffentlichten Brief an die Abweichler Reue. Sie sei „außerordentlich beschämt“ und bedaure ihre Wortwahl, heißt es dort. Der Brief ist an die SPD-Abgeordneten Carmen Everts, Jürgen Walter und Silke Tesch gerichtet, die die Wahl von Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin verhindert hatten.

Der frühere hessische SPD-Vize Walter hatte einen Rückzug Nissens von ihrer Kandidatur für den Bundestag verlangt. Die Äußerung Nissens sei „an Niedertracht und Gemeinheit“ nicht zu überbieten. Das gelte besonders, weil Silke Tesch bei einem Unfall in ihrer Kindheit ein Bein verloren hat. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ hatte am vergangenen Sonntag über Nissens Äußerung berichtet.

Nach Medienberichten hatte die als emotional bekannte Nissen bereits Anfang November nach der gescheiterten Wahl Ypsilantis über die Abweichler gesagt: „Im Mittelalter hat man solche Leute geteert, gefedert und gevierteilt. Gedanklich ein wunderschöner Gedanke. Auch damals wäre ich nicht dafür gewesen, und ich bin auch nicht für den Parteiausschluss. Diese Menschen sollen von selbst aus der Partei austreten.“
dpa